Am Rande der Wüste lebte ein Einsiedler.

Am Rande der Wüste lebte ein Einsiedler. Eines Tages besuchte ihn eine Pilgerin und klagte ihr Leid: “Ich lese so viele fromme Texte. Ich studiere die Bibel und vertiefe mich in die großen Theologen. Ich möchte die Worte und Gedanken bewahren, aber es gelingt mir  nicht. Alles vergesse ich! Die ganze mühevolle Arbeit des Lesens und Studierens ist umsonst.” Der Einsiedler hörte ihr aufmerksam zu.

Dann zeigte er auf einen Binsenkorb. “Hol mir aus dem Brunnen dort drüben Wasser.” Eifrig nahm die Frau den von Staub verschmutzten Korb. Das Wasser lief durch die Binsen, so dass nichts übrig war, als sie zurückkam. “Geh noch einmal!” sagte der Eremit. Die Frau tat es. Ein drittes und ein viertes Mal musste sie gehen. Immer wieder füllte sie Wasser in den Korb, immer wieder rann es zu Boden.

Nach dem fünften Mal rief sie: “Das hat keinen Sinn! Niemals kann so ein löchriger Korb das Wasser halten.” “Sieh den Korb an”, sagte der Einsiedler. “Er ist sauber. So geht es dir mit den Worten, die du liest. Du kannst sie nicht festhalten, sie fließen durch dich hindurch, und du hältst die Mühe für vergeblich. Aber sie klären deine Gedanken und machen dein Herz rein.”