Aus 150 Jahre 1869 – 2019 Jubiläumsschrift der Peter-Pauls Gemeinde Lüneburg
Unsere Alten erzählen
Edgar Heinrich Klingenberg
Ich wurde 1935 im Spes Bona „Nursing Home“ Paulpietersburg geboren. Mit der Bahn ging es dann bis Breitenstein (Nähe von Umkhondo), wo Großvater Böhmer Mutter und mich mit der Pferdekarre abholte. Ich wurde dann auch in Wittenberg getauft.
Als ich zur Welt kam, waren meine älteren Geschwister schon viel älter — Gustav 10 Jahre, und Siegfried 7 Jahre alt. Karin kam dann erst wieder 10 Jahre später. Somit wuchs ich ziemlich allein auf. Deshalb waren meine Spielgefährten die jungen Bafanas von der Farm, La Bella Esperance. Mit ihnen wurde gejagt und Kälber gehütet. Mit Knopkierie / Sakhila, Stöcken und Schlinge wurden kleine Raubtiere, wie Ntsimbas (Muskeljaatkat), Kgolothos und manches Geflügel erlegt.
Die wasserreiche Gegend zwischen den Ntombe und Sbandle Flüssen, so wie die Makelenjane Schlucht luden ja richtig zu vielen Ausflügen ein. Herrlich wurde nackedei geschwommen und alle Badestellen ausprobiert. Dieses hatte dann zur Folge, dass, als ich zur Schule kam, besser Zulu als Deutsch sprach.
Sonntags gings auch mit Karre und Pferden zur Kirche nach Lüneburg. Es gab noch keine Brücken und 14 „Sprüten“ mussten überquert werden. Nach dem Gottesdienst blieben die schulpflichtigen Kinder dann gleich dort im Schülerheim. Von der großen Freiheit, jetzt im Käfig, erweckte bei mir großes Heimweh nach zu Hause. Doch daran ließ sich ja nichts ändern. Freitags brachte uns ein Zulu Mitarbeiter von unserer Farm Esel zur Schule, um uns damit nach Hause abzuholen. Unterwegs wurde man oft klitschnass. Manchmal fanden wir auch Schutz in den Hütten der Zulus, am Wegrand. Später als ich schon mitblasen konnte, ritten Siegfried und ich sonnabends dann zur Blasstunde wieder nach Lüneburg.
Als ich Std. 6 war, kaufte mein Vater sein erstes Gefährt, einen schwarzen Dodge „Pickup“. War das eine Freude! Siegfried war dann schon 18 Jahre alt und war zu Anfang der einzige bei uns mit einem Führerschein. Wir Kleineren mussten dann natürlich mit unseren Staubmänteln hinten auf der Ladefläche sitzen. Das machte uns gar nichts aus – welch ein Fortschritt war das von Pferden, zum Auto!
Nach meiner Lüneburger Schulzeit besuchte ich ein Jahr lang die Landwirtschaftsschule zu Brits. Wir fuhren immer mit der Bahn von Volksrust bis nach Pretoria. Dort mussten wir umsteigen auf einen anderen Zug nach Brits. Wir blieben ein ganzes Viertel dort, bis zur nächsten Ferien. Zu langen Wochenenden fuhren Roy Meier und ich mit Fahrrädern mal nach Pretoria, Wespark, um bei Onkel Ludwig Meier zu besuchen. Mal fuhren wir auch am Sonntag zum Missionsfest in Kroondal.
Im darauffolgenden Jahr wechselte ich rüber zur Ficksburger technischen Hochschule. Ich liebte diese Schule und lernte sehr viel Praktisches, welches ich gut in meinem späteren Leben als Farmer benutzen konnte. (Mauern, Automechaniker, Auto- und Traktormaschinen mussten überholt werden, Eisen schmieden, Schweißen und Elektronik.) Zwei Jahre lernte ich dort. Andere Lüneburger die auch dort mit mir lernten, waren: Victor Hambrock, Edgar Niebuhr, Bodo Gevers und Ronald Engelbrecht.
Ich kam dann zurück zu meinem Vater auf die Farm. Mit 18 Jahren bekam ich meinen Führerschein in Piet Retief. Seit Primarschulzeiten hatte ich schon ein Auge auf die lebensmutige Käte Hambrock. Die war zu der Zeit im Schülerheim „Piet Retief Hoërskool“.
Stolz fuhr ich mit dem Laster zu ihr, um ihr die Freudenbotschaft zu erteilen — „Ich habe nun endlich meinen Führerschein.“ Zu Anfang arbeitete ich wie damals üblich unentgeltlich auf der Farm. Wenn ich etwas brauchte, kaufte mein Vater es mir. Später brachte ich eine Fracht Borke nach Iswepe.
Die £60 durfte ich für mich nehmen. Mit einem Teil eröffnete ich eine Bankrechnung, mit dem andern kaufte ich Käte einen Verlobungsring. Am Ende des ersten Jahres schenkte mein Vater mir 8 Balen Wollen und im zweiten dann 10. Dann wurden die Schafe geteilt. Ich bekam 100 Mutterschafe, 50 Lämmer, 50 Einjährige und 50 Hammel. Ich wollte meinen Viehbestand schneller vergrößern und kaufte dann von Onkel Johannes („Jan“) Klingenberg Färsen zu £7/10 (R15) und noch Mutterschafe zu £2/10 (R5).
Bis zu der Zeit hatten mein Vater und Onkel Jan zusammen gefarmt. Jetzt wurde La Bella in zwei Teile geteilt, Grund, Vieh und Schafe. Ich half mit, den Grenzzaun zu errichten. So wurde auch auf Honingkloof alles getrennt. Hier, etwa 10km östlich von Augsburg, wurde auch mit Schafen, Rindern und Mais gefarmt. Ich half mit auf Papas Teil einen neuen Hof aufzubauen. Hier auf Honingkloof wurde noch mit Mauleseln und Ochsen gepflügt und gepflanzt. Der „Rudsack Leipzig“ Einzelschneider Pflug war zu der Zeit sehr beliebt. Es wurde lieber mit Ochsen gepflanzt, weil dann die Saatreihen mit Jochweite genau eingeschätzt wurden. (Drei Fuß Reihe)
Unsere Utrechtfarm, Twyfelfontein bot zu der Zeit bessere Zukunftsmöglichkeiten und deshalb wurde beschlossen, dass ich lieber dort, als auf Honingkloof farmen sollte. Der Hof war 10 km außerhalb des Dorfes Utrecht. Die Farm selber grenzte aber am Dorfgebiet und bestand zur Hälfte aus Hochfeld und zur anderen Hälfte aus Buschfeldgebieten. Die Farm war vorher nur als Weidefarm benutzt worden und somit war alles ziemlich verwahrlost. Alles musste neu aufgebaut werden: Kuhstall, Haus, Terrassen und Erdarbeit.
Ich war „Loteling“ (ausgelost zur 3-monatigen Wehrmacht) und musste vor unserer Hochzeit noch zuerst zur Wehrmacht in Bloemfontein. Kurz vor der Hochzeit war ich zurück. Wir waren das letzte Paar, das von Pastor Schwarz getraut wurde. (Pastor Scharlach hatte noch keine Lizenz.) 1957 war die Hochzeit auf der elterlichen Farm. Dort war gerade ein großer neuer Schuppen gebaut worden und der Hof neu geebnet. So eignete sich alles gut für eine Feier.
Vater Heini Hambrock hatte seiner Tochter fünf Jersey Kühe und einen Bullen mit in die Ehe gegeben. Somit konnten wir immer Sahne zum Dorf liefern. Zusammen mit Kätes Gemüse, dass bei den Utrecht Minen verkauft wurde, sorgte das für ein anfängliches monatliches Einkommen.
Im Winter wurde immer gezogen mit den Schafen. Für den Teil, der nach Honingkloof zog, dauerte es drei Tage, bis nach La Bella nur zwei. Ein Ochsenwagen mit den Sachen der afrikanischen Treiber begleitete den Zug.
Abends wurde bei einem „Uitspan“ übernachtet, oder man baute sich selbst eine Kralle aus aufgerolltem Diamantmaschendraht („Jakkalsdraht“). Morgens wurde abgebaut, zusammengerollt und auf den Wagen gepackt. Die erste Übernachtung war meist unterhalb „Rooi Voetpaaie“ Anhöhe (Kempslust), die zweite bei Hlungwane, beim Laden, am dritten Tag war man dann am Ziel.
Weil Lüneburg so weit entfernt war, fuhren wir nur jede zweite Woche zum Gottesdienst. Die andere Woche besuchten mein Cousin Karl Klingenberg und ich uns gegenseitig. Er wohnte auch dort (Utrechter Gegend). Zusammen wurde dann eine Predigt gelesen. Alle vier unsere Töchter wurden in unserer Utrechtzeit geboren. Christa ging ihr erstes Schuljahr dort zur Schule bei unsrer Nachbarin, Hetta, die Lehrerin war. Morgens ritt sie mit einem Zulu Mitarbeiter auf unserer Farm hin und dann mittags wieder zurück.
Als die Rinder sich gut vermehrt hatten, beschloss ich Stammbuchtiere zu züchten — eine registrierte „South Devon“ Zucht. Das war zu der Zeit eine beliebte Rasse (rötliches Vieh, vergleichbar mit den Simmentalern).
In Utrecht spielten wir am Sonnabend gewöhnlich Tennis und lernten dort viele Leute kennen. Die Hoteleigentümerin spielte auch mit und die erzählte uns mal von ihren deutschen Gästen, die wir unbedingt kennen lernen sollten. So entstand die Freundschaft zu der Familie Wolfgang und Marga Popp.
Als die Farm Koppie Alleen dann zu kaufen war, zog es uns in die Heimat zurück. R22,000 für 650ha, war damals gut bezahlt. Kurz vor Weihnachten 1966 zogen wir dann um, hierher. Es kostete wieder großen Einsatz die Farm von Blue Wattle und Lantana zu befreien und die Ländereien nach unsren Wünschen zu entwickeln. Ein Nebengebäude hinter der Küche und Autogarage am Haus wurden errichtet, so auch Wasserrohre vom Damm zum Haus geleitet. Trink- und Kochwasser musste zu Anfang aber noch täglich vom Flüsschen Thathawu hergeholt werden. Unsere Wäsche wurde auch dort gewaschen. Es wurde gefeuert unter großen „Bodwes“ (Eisentöpfen), die dann für Warmwasser sorgten.
Aus alten Hühnerställen entstanden die ersten Kuhställe. Im Hause, sorgte ein 32 Volt „Lighting Plant“ mit Motor für Licht. Später baute ich weiter oben am Ncaga beim Gungu einen Damm, legte ein Rohr und hatte somit jetzt ein Gefälle von 110 Metern von oben bis zum Haus. Unten beim Damm oberhalb der Wohnung, baute ich eine kleine Turbine, welche Batterien lud für die Hauslichter (32 Volt) und genug Strom lieferte für einige 220 Volt Wandstecker. (Die verrostete Turbine grub ich am Thithane Fluss, auf der Meyerfarm raus, konnte aber nur die Impelle gebrauchen.) In den achtziger Jahren bauten wir Uithoek Farmer dann die große Turbine, bei der die Gemeinde auch Anteilhaber war.
Um die Devonzucht zu fördern, wohnte ich vielen „Boere-Tage“ bei, im Ostkap, Westkap und Osttransvaal, und musste auch gelegentlich auftreten als Preisrichter bei landwirtschaftlichen Messen/Ausstellungen (Rand Easter Show, Pietermaritzburg zweimal, Ermelo und andere). Die Rinder mussten gut vorbereitet werden, um in bester Kondition dann beurteilt zu werden.
Durch die Bekanntschaft mit der Familie Popp kam viel Deutschlandbesuch zu uns ins Haus. Weil es dem Onkel Walter Popp in Südafrika gesundheitlich so viel besser ging, beschloss er sich dann ein Haus zu bauen, oben wo die alten Benekes gewohnt hatten.
Es war zur selben Zeit (1974) als wir auch Baupläne hatten. (Nach 18 Jahren im alten Haus.) Wir beschlossen weiter oberhalb des alten Hofes zu bauen und ich ebnete dann dort eine größere Fläche, für Wohnhaus, Schuppen und Stall. Die Steine wurden selbst geformt. Für 1000 Steine brauchte man 5 Säcke Zement. Zu der Anfangszeit des Steine Formens, kostete Zement noch 25c pro Sack. Als es dann schließlich zum Bauen kam, war er schon 75c pro Sack. Baupläne hatte Herr Edgar Niebuhr uns gezeichnet.
War man in den Utrechter Jahren bisschen abseits, lebten wir jetzt mitten in der Gemeinschaft und konnten unseren Teil bringen in der Gemeinde, „Boerevereniging“, Kommando und Kulturgemeinschaft. Viel Freude hatten wir an dem DJV (Deutscher Jagdverein) den ich zusammen mit Herrn Hans Kreipl leitete. Es war eine Geflügeljagd. Jäger trafen sich an Sonnabenden auf verschiedenen Farmen in der Gegend. Es war eine gute Sache. Farmer achteten auf ihr Wild und die Jugend lernte Sicherheitsmaßnahmen beim Schießen kennen. Das Halali Schützenfest wurde immer gut besucht.
Es waren glückliche Jahre und zum Wochenende wurde viel Tennis gespielt. Das alte Meyerhaus wurde abgerissen. Das noch verwendbare Material wurde gebraucht, um neue Scheunen und den Kuhstall weiter oberhalb zu bauen.
Von Kindheit an hatte ich gerne gejagt und allmählich erwachte der Wunsch eine Wildfarm zu besitzen. Zusammen mit meinem Freund, Herrn Bodo Gevers, besuchten wir verschiedene Farmauktionen in Südwest, Hoedspruit und Nordtransvaal, bis dass wir schließlich die Farm Oudepost bei Swartwater kauften. Wir, mit unseren Familien und vielen Freunden, verbrachten angenehme Zeiten dort. Es wurde zu Anfang alles wildsicher eingezäunt, Hochsitze gebaut und neue Wege durch den Busch geöffnet. Ich wohnte dann verschiedenen Berufsjäger Kursen bei, bis ich dann selber Berufsjäger war. Jetzt durften wir auch Jagdgäste aus Deutschland werben. Viele Trophäenjäger besuchten uns dann dort.
Im Laufe der Jahre übernahmen unsere Kinder Manfred und Heidi die Wirtschaft auf Koppie Alleen. Sie bewohnen jetzt das große Haus und wir können uns erfreuen an einem ruhigen Lebensabend in Onkel Walters Haus.