Pastor Scharlach erzählt weiter: (Schluss)

Pastor Scharlach erzählt weiter: (Schluss)

Nach meiner Ausbildung war ich noch mehrere Monate Vikar in Dreihausen in Hessen. Das war eine schöne Zeit. Mein Vikarsvater Pastor Adolf Heicke war sehr rücksichtsvoll. Sobald sich eine Gelegenheit bot für einen oder zwei Tage von einem Gemeindeglied nach Bochum mitgenommen zu werden, um dort meine Eltern besuchen zu können, hat er das geregelt, ohne dass ich es wusste. Mit seinen Jung‟s habe ich mich angefreundet und hin und wieder mit ihnen Fußbal gespielt. Auch habe ich Pastor Heicke gelegentlich bei seinen Gemeindebesuchen begleitet. Kurz vor Weihnachten 1955 kamen wir mit dem Luxusdampfer: “Pretoria Castle” der “Union Castle Line”, in Südafrika an. Hier wurden wir, besonders in Kirchdorf, sehr freundlich aufgenommen. Bereits im Januar 1956 wurde ich als Pastor von Lüneburg berufen. Bis zu meiner Ordination am Sonntag Quasimodogeniti 1956 bin ich dann noch Vikar bei Vicepräses Wiesinger in Kirchdorf gewesen.

Hier lernte ich INGRID kennen. – VENI, VIDI, VICI (ich kam, ich sah, ich siegte) – GOTT sei Lob und Danke!

In Lüneburg fand man eine neue, (irdische), kirchliche Heimat. Vor allem Aufgaben, Lebens- und Familienglück. Zu zweit und eben auch als Familie verlebten wir in Lüneburg die längste und schönste Zeit unseres Lebens. Begleitet von der Zusage und Gewissheit: “GOTT war in CHRISTO und versöhnte die Welt in IHM selber und rechnete ihnen ihre Sünde nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung… So sind wir nun Botschafter an CHRISTI statt… Denn GOTT hat DEN, Der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir würden in IHM die Gerechtigkeit, die vor GOTT gilt. “2. KR. 5,19f… Unterricht, Predigen, Sitzungen, Versammlungen, Ansprachen, Christenlehre und Gemeindebesuche bestimmten von nun an den allgemeinen Rythmus, jahraus – jahrein.
1962 wurde ich in den Synodalausschuss gewählt. Bald danach kam ich auch in den Missionsbereich. 1966 wurde ich zum Vicepräses gewählt. Ende 1970 übernahm ich bereits, wegen Erkrankung des derzeitigen Präses Pastor Wiesinger, die synodalen Amtsgeschäfte. 1971 wurde ich auf einer Sondersynode zum Präses gewählt. Und am 16. Dezember desselben Jahres in Lüneburg eingeführt. Sitzungen, Konferenzen, Konvente, Verhandlungen, Tagungen, Einweihungen und Einführungen sind die sich immer wiederholenden Pflichten. Vielfach zurück bei Nacht und Nebel über Staub und Steinen und Morast. Aber die Erfahrungen, Gewissheit und Zuversicht bleiben immer bewahrheiten sich täglich immer wieder neu: “Die auf den HERREN harren, kriegen neue Kraft!” Etwa 20 Jahre, bis zu meiner Pensionierung im Jahre 1990, durfte ich das Amt des Präses ausüben.

In den achtziger Jahren wurde ich, mit dem damals in Paulpietersburg wohnenden römisch-katholischen Priester Pater Röhm bekannt. Wir haben uns sozusagen auf Anhieb sehr gut miteinander verstanden. Wir konnten sehr brüderlich über die uns bewegenden Glaubens- und Bekenntnisfragen miteinander reden. Als wir eines Tages über die Lehre der Rechtfertigung gesprochen haben und er seinen Standpunkt dargelegt hatte, habe ich zu ihm gesagt: “Das ist ja lutherische Rechtfertigungslehre”. Darauf antwortete er: “Die biblische”. Ich habe ihn gefragt, ob es denn erlaubt sei, diese Lehre von der Rechtfertigung in der römisch-katholischen Kirche zu verkündigen : Darauf entgegnete er : “In der “EKiD” ist ja alles erlaubt zu sagen. Inder römisch-katholischen Kirche, fast alles. Man muss nur nichts gegen das Zölibat (das Dogma von der Ehelosigkeit der Priester) sagen, dann bekommt man Probleme”. Ich habe ihn zum “Lüneburger Basaar” eingeladen. Er ist dann auch gekommen. Ich hatte allerdings erwartet, er würde dort in der Sutane, in der ganzen Würde eines römisch-katholischen Priesters erscheinen. Er “tauchte auf” mit Rollkragenpullover. Er hat sich mit den Leuten unterhalten und auch bei einigen Spielen beteiligt. Als die Gemeinde in Paulpietersburg aufgelöst wurde, ist er dann sehr bald versetzt worden, und wir haben uns nicht wieder gesehen. So gingen die Jahre dahin. Auch, wie der Apostel Paulus gesagt hat: “Als die Sterbenden und siehe, wir leben!”

Ende 1990 – die große Wende. Der viel gerühmte Ruhestand. Aber das ist eine überaus wunderbare und dankenswerte Erfahrung, zweierlei behält auch jetzt noch seine Gültigkeit: “Der Meister ruft dich!” Und: “Hier bin ich, sende mich!” Unmittelbar nach meiner Pensionierung wurde ich von der Wittenberger Gemeinde gebeten, nachdem die Gemeinde vacant geworden war, bis zur Neubesetzung und Vertretung zu übernehmen. Siebeneinhalb Monate sind daraus geworden. Danach wurde ich vom Synodalausschuss gebeten, in Wittenberg Hilfspastor, um den Pastor für seine afrikaanse Arbeit in Piet Retief zu entlasten. Bald danach kam dann die Arbeit in Panbult dazu. Dort war ich für etwa 12 Jahre der zuständige Gemeindepastor. Mitte 2002 habe ich in Wittenberg und Panbult mit meiner Tätigkeit aufgehört. Das war sozusagen das zweite Mal, daß ich in den Ruhestand ging. Danach habe ich dann monatlich jeweils in Vryheid und Newcastle regelmäßig Vertretungsgottesdiente gehalten.

Schon über 20 Jahre dauert er an, der “Ruhe(zu)stand”. Hier kann man nur und immer wieder mit großer Dankbarkeit ausrufen: “Wie soll ich dem HERRN vergelten alle Seine Wohltat, die ER an mir tut, ich wil den Kelch des Heils nehmen und des HERRN Namen predigen”. Ps.116.

2006 sind wir nach Wartburg verzogen. In Kirchdorf habe ich inzwischen über 100mal gepredigt. Bis heute durfte ich über 6300 Predigten, über 2000 Ansprachen und über 1800 Christenlehren halten. Das heißt, über 10 000mal durfte ich öffentlich CHRISTI Heilswerk bezeugen. GOTT dem HERRN sei Lob und Dank für alles, was ich in Seinem Dienst haben tun dürfen.

Nun ist das biblische Höchstalter längst überschritten. Dass unser Leben im Zeichen der Gnade steht, und eben Gnadenzeit ist, tritt immer mehr ins Bewusstsein. Im Zeichen der Gnade und des Kreuzes hat es begonnen. Im Zeichen des Kreuzes möge es vollendet werden. Bis dahin aber gilt: “Ich wandere meine Straße, die nach der Heimat führt , wo mich ohn‟ alle Maße mein Vater trösten wird”.

Das waren nun einige “Seiten eines Lebensbuches”. Ein “Lebensbuch” schreiben wir ja eigentlich alle. Wenn jeder Tag unseres Lebens auf ein Blatt geschrieben stünde, dann ergäbe es wohl einen ziemlich umfangreichen “Wälzer”. Was aber wäre darin wohl alles zu lesen? Manche Seiten wären sicher erfüllt von Glück und Freude. Von wunderbaren Erfahrungen, Bewahrungen und Segnungen. Andere Seiten würden ausführlich erzählen aus unserer Kindheit und Jugend und von unseren schulischen und beruflichen Erfolgen oder Mißerfolgen, Eindrücken und Erlebnissen. Auch von Reisen, Festen und Ferien der Familie, des Freundeskreises oder im gesellschaftlichen Leben wäre die Rede. Wieder andere Seiten würden berichten von Gefahren, Ängsten, Abenteuern, Nöten, Versuchungen und Anfechtungen. Auf manch einer Seite würden womöglich Spuren von Tränen sichtbar werden, die von Trauer, Herzeleid, Enttäuschungen, Rückschlägen und Schmerzen, an Leib und Seele, herrühren.

Aber dann mag es auch Seiten in unserem Lebensbuch geben, die vielleicht besonders bedrückend und belastend sind. Die man am liebsten entfernen möchte. Die wir verschmiert und befleckt haben. Das sind die Seiten mit all den Fehlern und Verfehlungen, an die wir uns am liebsten gar nicht erinnern und an die wir am liebsten nie wieder denken möchten. Und die wir niemand zu lesen geben möchten. Untreu gewesen, versäumt, verwahrlost, Schaden getan, lieblos gewesen, Leid zugefügt, unverantwortlich gehandelt. Ungute Worte und Dinge, die wir gerne ungeschehen machen würden, wenn es nur möglich wäre. Und noch vieles, vieles andere dazu.

Eine gewisse Last wird dann fühlbar, sobald wir an diese Blätter unseres Lebensbuches denken. Denn kein Mensch ist in der Lage, diese Seiten aus dem Lebensbuch herauszureißen.Vor den Menschen läßt sich manches noch verheimlichen, unterschlagen, überschlagen oder vertuschen. Aber bei GOTT dem HERRN liegen alle Seite offen da, geradezu wie in einem grellen Scheinwerferlicht. Aber das ist nun das Wunderbare. GOTT der HERR verwirft und verdammt, vernichtet und verachtet trotzdem nicht. GOTT der HERR verwirft und verdammt, verurteilt und verachtet uns nicht um unserer dunklen Seiten willen. Sondern der ewige, heilige, allwissende GOTT liebt uns vielmehr um JESU CHRISTI willen, trotz und mit all den beschmierten und befleckten Blättern unseres Lebensbuches. Ja, GOTT der HERR will sie sogar durchstreichen und ungültig machen, wie man einen Schuldstein ungültig macht. Und wenn uns der HERR JESUS sagen läßt: “Wir sind unnütze Knechte, nachdem wir getan haben was wir zu tun schuldig waren, “und wir eigentlich entgegnen müssten: “Wir haben noch nicht einmal, längst nicht einmal, getan, was wir zu tun schuldig waren”, so dürfen wir trotz aller Versäumnisse glauben, daß GOTT der HERR auf unser Kyrieeleison antwortet: “ICH spreche dich frei, ledig und los!”

Und nun möchte man, im Blick auf die noch verbleibende Zeit beten: “Heiliger DREIEINIGER GOTT, barmherziger, lieber himmlischer Vater, mach mich dankbar für das Wunder Deiner Annahme und Rechtfertigung und lass meinen Weg, bis zum Ende, durchleuchtet sein von Deiner Herrlichkeit und lass mich etwas wiederstrahlen von dem Morgenglanz der Ewigkeit. Und mag mich verlangend nach JESUS CHRISTUS und der wahren Heimat. Und: “Schreib” meinen Namen aufs Beste ins Buch des Lebens ein”. Hier aber gibt GOTT der HERR selbst, in Seinem Wort, nämlich Lk. 10,20” die entscheidende Antwort: “Freut euch, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind”.
SOLI DEO GLORIA