Militärzeit – Januar 1984 – Ende 1985
Ich war der Einzige aus dieser Gegend, der von Ladysmith aus per Bahn nach Kimberley reisen sollte. Auf dem Bahnhof erwartete mich kein freundlicher Empfang. Ich sollte mit Durbanern reisen, alle langhaarige komische Typen. Die riefen mir zu: “Moenie opklim nie, hier is moeilikeid.“
In Kimberley, Diskobolos Informationseinheit, waren wir bald alle Glatzköpfe. Damit hörte die Andersartigkeit meiner Kameraden auch bald auf. Jetzt waren wir alle gleich: Rofies (Anfangsrekruten). Wahrscheinlich landete ich bei dieser Einheit, weil ich mehrere Sprachen kannte. Mit mir waren auch viele Portugiesen. Wir sollten von Radioberichten aus Angola und Mozambik, wo auch Ostdeutsche Kommunisten mitkämpften, nützliche Information für Südafrika herausspionieren.
Unser „Basic Training“ war wie überall: hart – in kürzester Zeit sollten wir fit werden. Als nach 2 Monaten gefragt wurde, wer bereit sein würde Laster zu fahren, meldeten mein Freund und ich uns sofort. Wir hofften dadurch, diesem fürchterlichen Training zu entkommen. Wir wurden dann versetzt nach „1 Onderhoudseenheid-store en bestuurders.“ Hier war ich 4 Monate und bekam in der Zeit meinen Wehrmachtsführerschein.
Dann fragte man uns wer bereit sei für den Grenzdienst: “Wie wil grens toe?“ Alle anderen und ich, die die Hand hochgesteckt hatten, mussten dann sofort dreimal zum Grenzzaun des Camps hin-und zurücklaufen, aber aufs Schnellste.
Weil man an der Grenze für längere Zeit keinen nach Hausepass bekam, sollte ich dann zuvor meinen 7-Tagepass haben. Nach diesem Pass war ich elf monatelang aneinander an der Grenze, bei Ondangwa und Onjiva, ohne nach Hause zu kommen. Man stumpft später wirklich ab. Das solange von seinen Lieben und seinem Zuhause getrennt sein, verursacht dass alles einem gleichgültig wird. Was auch immer geschehen sollte, lässt einen kalt.
Als wir zur Grenze hinkamen, dachten wir unser „basic“ sei vorbei. Die „Oumanne“ in dem Camp dachten das Gegenübergesetzte. Die waren schlimmer als die SWAPO; wir fürchteten sie mehr als unsere Feinde. Unsere Aufgabe war alle Camps, von Ruakana im Nordosten runter bis Ondangwa im Süden mit Essen, Diesel und Vorräten zu versorgen. Den „Kantien“-Laster wollte niemand fahren,weil der so oft beraubt wurde. Essen und Getränke wurden von Mitsoldaten geplündert. Die Fahrer waren gezwungen bei ihrem Laster zu schlafen um ihn zu bewachen.
Wenn wir mit Büffel-Lastern in den angolanischen Busch hineinfuhren um SWAPO-Terroristen zu suchen, taten wir das nur in Begleitung angolanischer FAPLA Soldaten. Wie das politisch zusammenhängt, weiß ich nicht. Wir waren mit UNITA befreundet. Die Faplas aber waren ihre Feinde, trotzdem halfen sie uns, sagten uns aber, dass wenn wir UNITA Soldaten begegnen würden, dass sie sie dann angreifen würden. Wir sollten uns nur aus dem Gefecht halten. Zum Glück geschah das nie auf meinen Fahrten.
Müde kam ich mal von einer Fahrt wieder zurück in den Camp in Onjiva. Ich musste mich sofort melden. Eine dringende Botschaft: ich sollte sofort zurück nach Ondangwa. Ich hatte schlimme Vermutungen: War ein Unglück geschehen? Jemand gestorben? Keins von beiden! Groß war meine Freude als ich dort meinen Vater und Onkel Bodo Gevers sah. Eine Männergruppe aus Lüneburg machte eine Südwestfahrt Als sie dann im Etosha Wildpark waren, wurde kurzerhand beschlossen, mich zu besuchen. Sie schliefen an dem Abend auch dort im Camp. Ich durfte mit ihnen in der Offiziers- “Menasie“ essen. War das ein Fest! (Sie mussten dort übernachten weil es „Rotes” Gebiet war und man nicht nach Sonnenuntergang fahren durfte.)
Wovor alle Soldaten sich am meisten fürchteten waren an erster Stelle: Das RPG7-Mortiergeschoss. Dieses wird von der Schulter aus abgeschossen. Das Geschoss brennt sich beispielsweise durch den Stahl eines Panzers und explodiert drinnen in der Kabine.Zweitens: Die „Dubbelkaas“-Landmine. (Diese Benennung kommt von der Ähnlichkeit eines großen runden Käses.) Bei einer einzelnen Landmine hat man meist eine Ȕberlebungschance. Einer unserer „Oumanne“ trat mal auf so einer doppelten Landmine. Er erholte sich zwar langsam, war aber hinterher ganz verstört und hatte vom heftigen Schlag fast alle Zähne verloren.
Alle Wege mussten zuerst von den „Sweepers“ gefegt werden. Das heißt – Soldaten gingen zu Fuß voran, mit Apparaten, die Landminen anzeigen sollten. Wenn eine gefunden wurde, musste der ganze Convoy stoppen. Die Mine wurde vorsichtig herausgeholt, deaktiviert, und dann erst wurde wieder weitergefahren. Auf einer Fahrt geschah es dann aber doch. Trotz der Vorsicht hatte der
vorderste Laster im Convoy eine Landmine abgetreten. Zum Glück gab’s keine Verwundete. Das kaputte Fahrzeug wurde zurückgelassen und die „Tiffies“ (Tegniese Dienskorps) kamen dann später zur Reparatur.
Endlich nach 11 Monaten in der Fremde, bekam ich meinen „14-days“ Pass. Per Anhalter gings los, von Ondongwa bis nach Niebuhrsheim in Lüneburg. Die Leute waren freundlich und man wurde schnell mitgeommen. Einmal saß ich hinten auf einem Laster mit Gemsböcken. Mein Freund begleitete mich zum Glück und nach 2 Tagen waren wir bei seinem Zuhause in Colesberg. Wir blieben 2 Tage dort und dann gings weiter, aber jetzt mit seinem Auto bis bei uns auf der Farm. Er besuchte dann bei uns. War das eine Freude! Die Eltern, Geschwister, unser Haus, die Farm nach so langer Zeit… Von Pretoria aus flogen wir dann wieder zurück mit einem „Flossie“ Frachtflugzeug, für die letzte Zeit des Militärdienstes.
Auf einer Fahrt kaufte ich mir in Oshakati ein T-shirt: “I was there.“ Vorräte wurden immer dort in Oshakati geholt. Eine halbe Stunde später explodierte eine Bombe bei der Kasse, wo ich bezahlt hatte. Es gab mehrere Verwundete, aber ich durfte bewahrt bleiben.Man wird später so gelassen. Wir freundeten uns an mit der lokalen schwarzen Bevölkerung. Wir kauften Hühner von ihnen und begannen eine kleine Hühnerzucht. Diese Gelassenheit machte aber auch unverantwortlich. Mit einem Laster mit gefährlicher Munition beladen, fuhren wir mal zum Holz sammeln. Ein Kamerad hatte irgendwo eine Handgranate gefunden und wollte sie als Souvenier mitnehmen. Während er sie uns zeigte, fummelte er daran herum: Es folgte eine laute Explosion und seine Hand war schwer verletzt.Trotz allem habe ich die Wehrmachtzeit genossen. Ich möchte sie aber bestimmt nicht noch ein zweites Mal erleben.
(gekürzt)