HIRTENBRIEF

PASTOR KLAUS-ECKART DAMASKE

Gemeindebilder

An welches Bild denkst du, wenn du das Wort “Gemeinde” hörst? Mögliche Antworten: Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt. Ein feste Burg ist unser Gott. Das himmlische Jerusalem auf Erden. Eine Fabrik zur Erziehung guter Bürger des Landes. Ein Klub religiöser Spinner … und so hat jeder seine Meinung. Diese Sichtweisen jedoch bestimmen unser Zugehörigkeitsgefühl und unsere Einsatzbereitschaft.

Die Bibel schenkt uns viele Bilder. Und jede Darstellung ist darauf aus, einen anderen Aspekt hervorzuheben. Ich schildere mal zur zwei Bilder für Gemeinde aus der Bibel:

(1) Das wandernde Volk Gottes, wie Israel durch die Wüste aus Ägypten hin zum gelobten Land – 40 Jahre lang, ohne Kompass, ohne Vorräte, ohne Schutz. Sich von Tag zu Tag auf Gott verlassen, ausgeliefert den Mächten der Welt. Und doch wurde das Volk vorbereitet, um seinen Platz in der Weltgeschichte einzunehmen. „Getauft“ durch die Wolke am Tage, und „geläutert“ durch die Feuersäule bei Nacht fand das Volk Israel seine Identität in Gott. Erst mit der Zeit wurde es durchstrukturiert und von einer Generation zur anderen gerüstet für die Ankunft ins gelobte Land. (Bibelstellen: 1. Kor 10,1-12; Judas 1,5; Hebr. 3,16-19; u.a.)

Viele dieser Eigenschaften hatte die Gemeinde der ersten Generation, ja vielleicht sogar bis ins 3. Jahrhundert der Christenheit. Christenverfolgungen sorgten dafür, dass man nicht wusste, was der morgige Tag bringen könnte. Dafür jedoch lernen wir von ihnen den heldenhaften Glaubensmut, die absolute Abhängigkeit von Gottes Führung und die Bereitschaft „in aller Welt“ zerstreut zu werden.

Die Schattenseiten von dem „wandernden Gottesvolk“ erkennen wir darin, dass es schnell Streitereien gab – immer wieder mussten Wahrheiten und Verhalten geklärt werden. Und leider fielen auch viele vom lebendigen Glauben ab, verirrten sich und verfehlten das Ziel.

Dieses Bild vom wandernden Gottesvolk durch die Wüste ist für viele Situationen heute ebenfalls hilfreich. Man kann sagen: Ja, so geht es der Kirche Jesu Christi: da sind wunderbare Chancen, den Glauben in jeder Situation zu bezeugen. Aber da sind auch Gefahren, wenn die nötigen Strukturen und Lehren nicht geklärt sind.

(2) Das Haus Gottes mit lebendigen Steinen. Bibelstellen: 1. Kor 3,16-17 + 6,19; Eph 2,20; Hebr 3,6; 1. Petr 2,5.

Das Zelt während des Auszugs aus Ägypten, wurde zum Tempel in Jerusalem = der Ort der Gegenwart Gottes mit Bundeslade und Zeremonien. In einem Haus ist man geborgen; die Mauern bieten Schutz; man hat sich geographisch niedergelassen; man kann sich orientieren; der Glaube hat eine Mitte.

So entwickelt sich diese Vorstellung weiter im Neuen Testament: Die Gemeinde ist wie ein Tempel des Heiligen Geistes, wo Christus gegenwärtig ist. Und jedes einzelne Gemeindeglied ist wie ein lebendiger Stein im Bauwerk Gottes. Einer baut auf den anderen; auf jeden ist Verlass und jeder kennt seinen Platz, seine Aufgabe in der Gemeinde; man bietet sich gegenseitig Schutz und Geborgenheit; man hat eine Vision und strebt nach demselben Ziel.

Die Schattenseite von diesem „festen Gebäude“ sind bekannt: zu starre Strukturen verhindern Wachstum und Flexibilität. Leute von außerhalb des kirchlichen Kulturkreises haben Schwierigkeiten, sich einzufinden. Formalität und Tradition lassen „die erste Liebe“ erkalten. Oft verkommen die Rituale zu Museen der Vergangenheit und eine Gemeinde kann sozial irrelevant werden.

Das Vorstellung der Gemeinde als Haus Gottes ist ebenfalls sehr hilfreich. Man muss die Betonung auf „lebendige“ (!) Steine legen, damit sich die positive Dynamik des Heiligen Geistes entfalten kann. Die Gemeinde bietet eine Alternative zu verirrten und geängstigten Gesellschaft, wo viele dem Individualismus zum Opfer gefallen sind.

So gibt es noch weitere Bilder im Neuen Testament, die je nach Situation hilfreich sein können. Sie ergänzen sich und – wo vielleicht eine Gefahr von einer Vorstellung zu dominierend geworden ist, korrigieren sie einander.

Möge unser Herr uns in aller Wahrheit leiten, uns Freude und Liebe zu seiner Gemeinde schenken, damit wir werden, was wir schon in Christus sind: Sein Volk und Schafe seiner Weide.