Es ist laut in den Stunden vor Silvester. Die Raben im Wald lassen sich etwas einfallen.
Voller Schreck kehrte der kleine Rabe von einem seiner Ausflüge aus der Stadt zurück. “Hilfe!”, krächzte er seinen Rabenfreunden entgegen. “Die Menschen sind hinter uns her. Sie schießen auf uns. Überall in den Straßen der Stadt knallt es.”
Er blickte sich hektisch in dem kleinen Stadtrandwäldchen um. “Versteckt euch! Gleich werden sie kommen.” “Nur mal die Ruhe!”, sagte Rabenpapa. “Seit wann gehen die Menschen in der Stadt auf Rabenjagd?” Er schüttelte den Kopf. “Nein, nein, da musst du dich geirrt haben.” Im gleichen Moment stieg eine Rakete jenseits der Felder auf und verglühte zischend im dämmrigen Winterhimmel. “Hilfe!”, heulte der kleine Rabe auf, und auch die anderen Raben wiegten bedenklich die Köpfe. “Ich glaube”, sagte einer, “Es ist bald wieder so weit.”
Ein anderer nickte. “Mir schwant Böses.” Und Rabenpapa sagte: “Jawohl, es ist wieder einmal Ballernacht.” “Ballernacht?” Fragend hüpften die jungen Raben auf dem Feld umher. “Was ist das?” “Die Menschen sagen auch Silvester dazu”, erklärte Rabenpapa. “Ich weiß nicht, was sie damit meinen. Klar ist nur, dass es überall dort, wo Menschen wohnen, heute Abend und ganz besonders zur Geisterstunde laut knallen und schießen wird. Es ist die schlimmste Nacht im Jahr für uns Tiere.” “Warum machen die Leute das?” “Spinnen die Menschen?” “Wollen sie uns Tiere damit verjagen?” “Und warum…” Die jungen Raben hatten noch viele Fragen, doch im gleichen Moment hallten wieder Schüsse zu ihnen herüber. “Wir müssen abhauen”, rief der kleine Rabe entsetzt und wollte schon losfliegen. “Halt!”, rief Rabenpapa. “Überall im Land wird heute Ballernacht gefeiert, denn dieses Silvester scheint wohl sehr bekannt zu sein.” “Und was machen wir nun?” Rabenpapa überlegte. “Bleibt nur eines”, sagt er nach einer Weile.
“Wir feiern auch ein Fest, und da soll es so laut zugehen, dass wir den Menschenlärm gar nicht erst hören.” Eine gute Idee! Die Raben jubelten. Dann flogen sie durch den Wald, über Wiesen und Felder, und luden alle Tiere, die sich aus Angst bereits hinter Büschen und in Höhlen versteckt hatten, zu einem großen, lauten Fest ein. „Gemeinsam feiern”, so erklärten sie, “ist besser als sich alleine zu fürchten.” “Recht habt ihr”, riefen die Tiere erfreut und sie machten sich auf den Weg zum Waldrand, wo das Ballernachttierfest stattfinden sollte. Und es wurde ein tolles Fest. Alle Tiere vertrugen sich in dieser Nacht prächtig. Es gab keinen Streit. Im Gegenteil: Sehr fröhlich ging es zu und sehr, sehr laut.
So laut, dass die Tiere das Dröhnen der Silvesterböller, Schüsse, Knaller und Raketen fast nicht hörten. Waldtiere können nämlich noch viel lauter heulen und krächzen und jaulen und bellen und röhren und grunzen als jedes Feuerwerk auf der Welt. Der kleine Rabe war glücklich. “Wann feiern wir wieder dieses Silvester?”, fragte er, als sich die letzten Gäste am frühen Morgen auf den Heimweg machten. “Im nächsten Jahr. Ist doch klar, oder?” “Ja, klar”, sagte der kleine Rabe und nickte, obwohl er bis jetzt noch nicht recht begriffen hatte, was da nun eigentlich geschehen war in dieser Ballernacht, die die Menschen Silvester nennen. Na, nächstes Jahr wird er vielleicht ein wenig klüger sein…